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Bitterzartes Lachen
Gedanken
zu Karikaturen aus Afrika
Das
Lachen ist einer ernsthafte Angelegenheit; und Afrika lacht viel. Zu
jedem Anlass, gleich ob er freudig oder traurig ist. Lachen ist eine
Lebensart, die alles in Frage stellt. Das Lachen klebt an unserer
Haut. Wir tragen es mit uns über Grenzen hinweg, ein Leben lang. Das
Lachen mischt sich in alles. Die Sklaven haben es im Unterdeck der
Schiffe transportiert, um es auf dem Boden der Indios von Amerika
auszusäen.
Zur
Zeit zieht eine Ausstellung afrikanischer Karikaturen durch
Deutschland. Sie stammen aus Uganda, Kenia, Tansania und dem Kongo.
Die etablierte Presse hat kaum ein Wort darüber verloren. Eben, es
handelt sich nur um Afrika. Und welcher bedeutende Kritiker gibt sich
denn beim Thema Afrika noch Mühe?
Diese
Karikaturen richten von Afrika aus einen neuen Blick auf die Welt,
und sie bestätigen uns, dass dieser originelle Kontinent lebendiger
ist als man meinen möchte. Hinter jedem Bild höre ich Afrika
lachen. Dieses ursprüngliche Lachen wurzelt von Anfang an in der
Auflehnung der Schöpfung, damals, als die Götter die Welt noch
nicht völlig verlassen hatten, und bevor sie uns - Hände und Beine
gefesselt - diesem Hütchenspiel auslieferten, das man Politik nennt.
Gewiss
ist, wir Afrikaner sind von einer mittelmäßigen, korrupten Elite
eingekesselt, die jede Vorstellungskraft übersteigt. Aber wer nimmt
sie schon ernst? Afrika jedenfalls nicht. Die große Farce ist
enthüllt. Unmittelbar nach der Unabhängigkeit galoppierte das
Lachen auf die Politik los, da sie ihre frühere Aura,
Hoffnungsträger für die Menschen zu sein, verloren hatte. Die
einfachen Leute in unseren Dörfern haben es verstanden, dass die
Politik zur absoluten Herrschaft des Betrugs mutierte.
Im
Kongo konnte man schon zu jener Zeit den volkstümlichen Ausdruck
"Politik machen" hören. Wenn jemand sich von jemandem
übers Ohr gehauen und verschaukelt fühlte, sagte man eben "Mach
mir keine Politik!" Welch subtile Art, gegenüber der Politik
seine Missachtung, Respektlosigkeit und seinen Zweifel zum Ausdruck
zu bringen!
Die
"Zivilisation" hat uns Jahrhunderte lang mit einem albernen
Lachen und vielen erniedrigenden Attributen dargestellt. Das berühmte
"Bananenlachen" oder das von Tintin aus dem Kongo sollte
vor allem unsere "naturgegebene" Unterlegenheit, unsere
zurückgebliebene Naivität ausdrücken. Es reicht schon ein kurzer
Blick auf die Karikaturen über die "dümmlichen Neger":
immer mit dem fleischigen Lachen der Unterwürfigkeit auf den Lippen,
die unbestrittene Überlegenheit der "Zivilisierten"
anerkennend.
Nichts
von alldem ist in den Karikaturen zu sehen, von denen ich spreche. Im
Gegenteil: da wird der "Zivilisation" je nach Dienstgrad
kräftig ausgeteilt, und der Macht ebenfalls. Hier erneuert sich die
alte afrikanische Tradition der Auflehnung, die man schon in den
Märchen findet. Ein breites, sarkastisches Lachen, von rebellischer
Energie strotzend, die nichts und niemanden verschont. Diese alte
Ironie, die sich die Freiheit nimmt, frech zu sein, ist zuweilen
sogar so weit getrieben, dass man von der Unvollkommenheit Gottes
spricht. Und wenn Gott nicht perfekt ist, wie steht es dann mit
seinen Schöpfungen...? Afrika macht sich über die Welt lustig.
In
der Kolonialzeit haben die Afrikaner die Kolonisten häufig
verspottet. Sie haben ihnen Beinamen gegeben, mit denen sie sie je
nach ihren Eigenheiten karikierten. Die Kolonisten haben aber fast
nie davon erfahren. Sie verwechselten oft Angst vor Peitschenhieben
mit Respekt. Später wandte sich das Lachen der Menschen gegen die
neue Elite. Im Kongo nannte man sie "Alleswisser", die
eben, die über alles Bescheid wussten. Auch während der
Mobutu-Diktatur machte das Volk seine Witze über den "Großen
Leoparden". Mit Schadenfreude wurden sie ihm von seinen
Wachhunden zugetragen. Ein anderes Beispiel: die Bewohner Kinshasas
tauften die Diaspora, die M'zé Kabila um sich scharte, sofort auf
"Diaspourri" um, worin das Wortspiel mit "pourri",
verfault, steckte.
Anfang
der 70er Jahre haben wir mit einigen Freunden begonnen, in Kinshasa
die populäre kongolesische Kunst - "Wata" genannt - zu
fördern. Denn wir bemerkten, dass dieses freche Lachen beinahe gar
nicht in der akademischen Kunst vorkam. Die Cheri Sambas und die
Mokés waren aber durchaus repräsentativ für das Lachen der
einfachen Bevölkerung. Die erste Ausstellung dieser Künstler im
Ausland fand in Berlin 1979 anlässlich des ersten Festivals der
Weltkulturen "Horizonte" statt. Mein Freund Jochen Klicker
und ich haben diese Initiative ergriffen, weil wir von der
Bedeutsamkeit dieser modernen Märchen - aus dem wüsten, bitteren
Lachen der Bevölkerung angesichts der Diktatur geboren - überzeugt
waren. Man kann diese Karikaturen auch mit der Literatur der neuen
Generation von Schriftstellern wie Alain Patrice Nganang aus Kamerun
vergleichen. Sein letzter Roman "Hundezeiten" folgt einem
karikierenden Stil und ist eine Tierfabel in echter afrikanischer
Tradition. Es handelt sich um einen Hund, der sich die Freiheit und
die Frechheit herausnimmt, aus seiner auf allen Vieren kriechenden
Hundeposition von ganz unten über die Menschen zu urteilen.
Afrika
lacht über den Marsch der "Zivilisation" in Richtung
Fortschritt: immer mit ihren Bomben voran. Es macht sich lustig über
diejenigen, die sie ausbeuten. Es lästert über seine üblen
Politiker, über die "Demokratur" und die "Scribatur",
die Herrschaft der Verwaltungs-Schreiberlinge. Das Lachen ist
wirklich eine ernsthafte Angelegenheit. Es ist nicht nur der
vollendete, spontane Ausdruck der Aufsässigkeit, sondern
gleichzeitig auch der menschlichen Zärtlichkeit.
Lachen
- die Alten in Afrika wussten, dass der Mensch, so stolz er auch sein
mag, nicht mehr Wert hat als das zarte, vertrocknete Blatt eines
Wollbaumes. Der Mensch braucht das Blatt des Wollbaumes dringend für
sein Überleben, sogar in totem Zustand. Der Wollbaum jedoch braucht
den Menschen mitnichten für seine Ewigkeit.
Muepu
Muamba (DR. Kongo – Frankfurt am Main) Dialog International -
Fördergemeinschaft für demokratische Friedens-Entwicklung e.V.
Übersetzung
aus dem Französischen: Dr.Maria Németh Artikel aus der Zeitschrift
epd / Entwicklungspolitik 20/2003
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